Starrflex-Leiterplatten
Was sind Starrflex-Leiterplatten
und wo liegen die Vorteile?
Starrflex-Leiterplatten sind Leiterplatten, die konventionelle "starre" Platinen mit dünneren, flexiblen Bereichen kombinieren. Eine starrflexible Leiterplatte kann somit diverse starre Leiterplatten ersetzen, die ansonsten mit Kabeln verbunden werden müssten.
Dadurch ergeben sich folgende Vorteile:
- Es reduziert sich oft die Einbauzeit
- Es werden diverse Komponenten der Baugruppe (Stecker, Kabel, zusätzliche Leiterplatten etc.) eingespart.
- Es ermöglicht einen höheren Grad an Miniaturisierung
- Die Zuverlässigkeit der Baugruppe steigt, da Steckkontakte oft potentielle Quellen für Kontaktprobleme sind. Dies gilt insbesondere bei dynamischer Biegebelastung des flexiblen Bereichs, der sonst schnell das Lösen von Steckern zur Folge haben könnte.
Dem gegenüber steht ein etwas höherer Preis, denn die Herstellung von starrflexiblen Leiterplatten ist komplexer und teurer. Oft überwiegen aber die Vorteile, wenn man dem Mehrpreis alle tatsächlichen, effektiven sowie kalkulatorischen Kosten gegenübergestellt.
Was für Material wird für Starrflex verwendet und was bedeutet das für Herstellung sowie Verarbeitung?
Starrflex-Platinen bestehen aus einem sogenannten Hybrid-Aufbau. Für die starren Bereiche wird konventionelles FR4 verwendet, während die flexiblen Teile aus Polyimid bestehen. Diese Materialien haben neben unterschiedlicher Biegbarkeit diverse verschiedene Eigenschaften, die es beim Bau von starrflexiblen Platinen zu berücksichtigen gilt. Eine daraus resultierende Herausforderung in der Herstellung liegen im unterschiedlichen Wärmeausdehnungsverhalten. Dieses muss vor dem Verpressen antizipiert werden, so dass der Multilayerverbund später lochgenau passt. Ferner sind die Hafteigenschaften von Polyimid beim Verpressen weit geringer als das von FR4 und bedarf hier besonderer Verfahren beim Anrauen.
Für die Verarbeitung von Starrflexen ist zum einen zu bedenken, dass durch die flexiblen Bereiche eine Einzelbestückung ohne Nutzenrahmen schwierig bzw. im Bestückungsautomaten fast unmöglich ist. Es bietet sich stets an, Starrflex in einem Nutzen zu fertigen und erst nach der Bestückung zu vereinzeln. Ferner ist unbedingt zu bedenken, dass Polyimid ein sehr hygroskopisches Material ist und damit viel Wasser aus der Umgebungsluft aufnimmt. Diese (sehr negative) Eigenschaft von Polyimid führt dazu, dass bei unsachgerechter Verarbeitung (Löten) Feuchtigkeit austritt und Blasen entstehen – man spricht von Delamination. Aus diesem Grund ist es unerlässlich und unbedingt notwendig, dass Starrflex-Leiterplatten direkt vor dem Löten in einem Ofen getempert werden, damit diese Feuchtigkeit langsam und nicht durch einen „Temperaturschock“ entweichen kann.
Unsere Empfehlung basierend auf „ZVEI“ lautet daher:
Trocknung direkt vor der Weiterverarbeitung
- Trocknung im Umluft-, Konvektions- oder Vakuumtrockenofen.
- Platinen einzeln auf Gitterroste legen (nicht übereinander stapeln), evtl. mit Papierunterlagen. In Magazinen senkrecht mit Abstand.
- Trocknungstemperatur: 130 - 150°C
- Trocknungsdauer: 120 min
- Bei thermisch sensiblen Oberflächen (z.B. chem. Zinn) wird eine Vakuumtrocknung empfohlen, da bei 50mbar eine 20°C niedrigere Temperatur bei 60 min kürzerer Zeit ausreicht.
Direkte Weiterverarbeitung
- Die getrockneten Platinen innerhalb von 8 Std. bestücken und löten.
- Zwischenzeitliche Aufbewahrung bei 30 % (max. 50 %) Luftfeuchte.
- Bis zu weiteren Lötprozessen oder eventuellen Reparaturen stets trocken lagern.
- Nach zwischengeschalteten Waschprozessen sollte eine erneute Trocknung nach obigen Parametern erfolgen.
Welche Biegeradien der flexiblen Bereiche sind möglich?
Als Daumenregel gelten folgende minimale Biegeradien:
Flex-Bereich | Biegeradius | Typischer Beispielwert |
---|---|---|
1-lagig außen (A1) | 7 x der Flex-Dicke | 7 x 100µm = 0,7mm |
2-lagig außen (A2) | 14 x der Flex-Dicke | 14 x 170µm = 2,4mm |
1-lagig innen (I1) | 7 x der Flex-Dicke | 7 x 140µm = 1,0mm |
2-lagig innen (I2) | 14 x der Flex-Dicke | 14 x 190µm = 2,7mm |
Als Daumenregel kann man sich merken:
- 1-lagige Flex >1mm Biegeradius
- 2-lagige Flex >3mm Biegeradius
Neben den oben genannten Biegeradien ist unbedingt zu beachten, dass diese Biegungen nicht direkt über die Kante des starren Bereichs erfolgen dürfen, da diese dann wie eine Abrisskante wirken und den Flexbereich schädigen oder zerstören können.
Bitte beachten Sie, dass für hochdynamische Anwendungen Flexlagen mit reinem Walzkupfer empfohlen werden. Dies bedeutet, dass diese Lagen auf den Innenlagen platziert werden sollten, denn in den Außenlagen würde durch den Durchkontaktierungsprozess ein elektrolytisches Kupfer hinzukommen. Elektrolytisches Kupfer weist grobkörnigere Strukturen auf und bricht daher schneller als reines Walzkupfer.
Welche Sonderoptionen sind bei Starrflex-Leiterplatten möglich bzw. unmöglich?
Sonderoption | Verfügbar | Bemerkung |
---|---|---|
Sonderdicken/Aufbauten | ||
Expresslieferung | Nicht alle Technologien | |
Bis 12 Lagen Starrflex | ||
Sonderfarben Lötstopplack | Nur im starren Bereich | |
4mil (0,10mm Leiterzüge) | ||
0,10mm Bohrungen | Nur im starren Bereich | |
TG170-Material | Nur im starren Bereich | |
ENIG/ENEPIG | ||
Hartgold | ||
Abdecklack | ||
Nutzenfertigung | Ausdrücklich empfohlen | |
Pressfit | Nur im starren Bereich | |
Sacklöcher (Blind Vias) | ||
Vergrabene Bohrungen | ||
DK im reinen Flexbereich | Kein Standard, daher relativ teuer | |
Via-Fülldruck | Nur im starren Bereich | |
DK-Fräsungen | Nur im starren Bereich, keine DK-Kontur | |
ALU-IMS-Starrflex | ||
Plugging mit Kupferdeckel | Bei I-Aufbauten | |
Dickkupfer >35µm | Nur im starren Bereich, nicht in jeder Konstellation | |
Semi-Flex-Bereiche | Nur im starren Bereich | |
Impedanzkontrolle | Nur im starren Bereich | |
HAL-bleifrei | Nur bei innenliegenden Flex-Bereichen | |
Innenliegende Stecker auf Flex (vergoldet) | Nur bei innenliegenden Flex-Bereichen | |
Rogers-Starrflex | ||
UL-Logo/Zulassung |
Wie unterscheiden sich die verschiedenen Starrflex-Aufbauten?
Es gibt primär zwei nennenswerte Unterscheidungsmerkmale. Erstens: Die Anzahl der flexiblen Lagen. Zweitens: Die Anordnung dieser flexiblen Lagen. Es gibt herstellerabhängig sehr unterschiedliche Deklarationen von Starrflex-Platinen. Eine aus unserer Sicht sehr sinnvolle Art der Kategorisierung von herkömmlichen Starrflex-Platinen ist aber, zunächst die maximale Lagenanzahl des starren Bereichs zu nennen, gefolgt von der Position der flexiblen Lage(n): Innen (I) oder außen (A). Zuletzt kommt eine Angabe, wie viele flexible Lagen es sind.
Einige schematische Beispiele verdeutlichen dies anschaulich:
Starrflex „4-lagig A1“ = 4 Lagen gesamt, eine Flexlage, außen (A) liegend
Starrflex „4-lagig A2“ = 4 Lagen gesamt, zwei Flexlagen, außen (A) liegend
Starrflex „4-lagig I1“ = 4 Lagen gesamt, eine Flexlage, innen (I) liegend
Starrflex „4-lagig I2“ = 4 Lagen gesamt, zwei Flexlagen, innen (I) liegend
Dieses Prinzip lässt sich für Standard-Starrflexe weiter so fortsetzen. Wenn man z.B. „8-Lagen I4“ sagt, wird deutlich, welche Komplexität gefordert ist. Die exakte Position der flexiblen Lagen (Lage 2 bis 5 oder z.B. mittig Lage 3 bis 6) spielt damit zunächst keine größere Rolle mehr, sondern ist dann ja aus den Daten genau ersichtlich. Auch ist nicht wichtig, ob ein anderer starrer Teil eventuell weniger als die maximalen 8 Lagen hat.
Bezüglich des Aufwands und der Kosten lässt sich grob sagen, dass die oben genannte Reihenfolge von „günstiger“ zu „teurer“ verläuft. Außenliegende Flex-Lagen haben in der Herstellung den Vorteil, dass man nur von einer Seite gegensticheln muss. Einseitige Flexlagen haben wiederum den Vorteil, dass man die Abdeckfolie nur auf einer Seite freistellen, ausrichten und verpressen muss.
Was ist beim Design von Starrflex-Leiterplatten zu beachten und warum?
1. Abstand der Durchkontaktierungen zum Flex-Bereich
Durchkontaktierungen in den starren Bereichen müssen mit ihrer Außenkante mindestens 1,0mm weit von angrenzenden Flex-Lagen entfernt sein. Der Grund liegt darin, dass bei Nassprozessen Chemikalien durch diese Bohrungen hindurchfließen. Der Flexbereich ist innen jedoch hohl (unverklebt). Es gibt also nur diese ca. 1mm (in Realität wegen Bohranschwellung und Prepregrückstellung noch weniger) an Verklebung zwischen der DK und dem Flex-Bereich, der die chemischen Stoffe daran hindert, in diesen hohlen Bereich einzufließen.
Diese Grafik verdeutlicht die Problematik im Schnitt. Der FR4-Block im Flex-Bereich wird zum Schluss tiefengestichelt, so dass nur der flexible Teil übrig bleibt. Sind hier in den Hohlraum jedoch während der Herstellung Chemikalien eingeflossen, so ist die Starrflex-Platine unbrauchbar.
2. Leiterbahnen im Übergangsbereich starr-zu-flex
Die Leiterbahnen aus dem Flex-Bereich sollten gerade, mindestens 1,0mm weit in den starren Bereich geführt werden, bevor sie weiter in eine andere Richtung abgewinkelt verlaufen dürfen. In diesen Übergangsbereichen herrscht in der Anwendung meist die größte mechanische Belastung auf die Leiterplatte. Schräg verlaufende Leiterbahnen oder Winkel in diesem Bereich sorgen für unnötig scharfe Kanten, die unter Belastung schneller zu Rissen führen können.
3. Leiterbahnen im Flex-Bereich
Um eine optimale Biegbarkeit zu gewähren, sollten die Leiterbahnen auf dem flexiblen Bereich ebenfalls nur gerade in Biegerichtung verlaufen. Winkel oder schräg verlaufende Leiterbahnen können beim Biegen durch die Kanten des Kupfers wieder zu einer erhöhten Einriss-Gefahr führen. Wenn Platz ist, so empfehlen sich dickere Leiterbahnen im Außenbereich als Einreißschutz. Diese müssen keine elektrische Funktion haben, sondern können als „Dummies“ eingeführt werden. Diese sollten aber auch wieder mindestens 1,0mm gerade in den starren Bereich hinein verlaufen.
Obenstehende Grafik verdeutlicht die Anordnung von parallel, zur Biegerichtung verlaufenden Signalbahnen in der Mitte, flankiert von dickeren Dummy-Bahnen als Einreißschutz. Selbstverständlich können diese Außen-Bahnen auch mit einer elektrischen Funktion belegt werden.
Unabhängig von den stabilisierenden Bahnen als Einreißschutz sollten bei doppelseitigen Flex-Platinen die Leiterbahnen auf Top und Bottom versetzt zueinander verlaufen. Dies reduziert an jeder Stelle des Flex-Bereichs die jeweilige Gesamtdicke und sorgt dadurch für eine höhere Biegbarkeit.
4. Bestückungsbereich
Generell sollten Bauteile nur im starren Bereich vorgesehen werden, da die Lötstellen sonst unter Biegebelastung brechen können. Als Sicherheit sollte daher der Abstand von Bauteilen zum stark belasteten Starr-Flex-Übergang wiederum mindestens 1,0mm betragen.
5. Nutzenfertigung
Starrflex-Platinen werden prinzipiell in einem Bestückungsnutzen gefertigt und so ausgeliefert. Dies ist aus Gründen der Sicherheit beim Versand als auch aufgrund einer erheblich einfacheren Bestückung erforderlich. Bei großen Platinen werden diese in einen 1-fach Nutzen mit entsprechendem Nutzenrand gesetzt. Es ist daher wichtig, dass im Layout bereits Bereiche für Stegbohrungen in den starren Bereichen vorgesehen werden. Diese Anbindungen dürfen nicht im flexiblen Bereich sein. Sollte hier Unklarheit über die Anzahl oder Anordnung der Nutzenanbindungen bestehen, so senden Sie uns bitte möglichst frühzeitig nach Ihrer Konturplanung die Daten zur Ansicht. Gerne zeigen wir Ihnen die Bereiche, in denen wir für den Nutzen die entsprechenden Anbindungen vorschlagen.
6. Flexlagen im starren Bereich
Die später im starren Bereich verpressten Flex-Bereiche sollten möglichst keine großen Masseflächen enthalten. Nur Leiterbahnen oder gerasterte Flächen sind vorzuziehen. Der Grund liegt hier in der stark hygroskopischen Eigenschaft des Polyimids - es nimmt viel Wasser auf. Diese Feuchtigkeit muss mehrmals während der Herstellung und auch vor dem Löten unbedingt durch Temperprozesse entfernt werden. Vollflächige Kupferflächen direkt auf der Polyimidlage halten diese Feuchtigkeit aber „eingeschlossen“ und machen spätere Delaminationen in der Herstellung oder beim Löten wahrscheinlicher. Auch sollten „ringförmige“ Kupferformen in den Innenlagen vermieden werden, die beim Verpressen das Entweichen von Luft erschweren können.
7. Fräsungen und Konturformen
Wie bei allen Leiterplatten ist stets zu bedenken, dass die mechanische Bearbeitung mit einem Fräser erfolgt. Dies bedeutet, dass Innenkanten jeweils den Fräsradius aufweisen und keine rechtwinkligen Innenkanten möglich sind. Gerade im Starr-Flex-Übergang ist dies jedoch von Vorteil, da eine Rundung weit weniger anfällig für Einreißen ist als eine scharfe Kante. Gefräst wird entweder mit 2mm oder 1mm Fräser, wodurch sie entsprechend Radien von 1,0mm oder 0,5mm ergeben.
8. Allgemeine Layouthinweise
Ansonsten gilt wie immer, das Layout so einfach wie möglich zu halten. Dickere Leiterbahnen und größere Durchkontaktierungen mit großen Restringen vereinfachen nicht nur die Herstellbarkeit, was zu höherer Lieferfähigkeit und geringeren Kosten führt. Layouts, die nicht im Grenzbereich liegen, haben später auch eine höhere Ausfallsicherheit in der Anwendung. Während starre, im Grenzbereich hergestellte Leiterplatten nach Inbetriebnahme quasi ein „festes, zuverlässiges und unveränderbares System“ darstellen, so sind starrflexible Leiterplatten in den meisten Anwendungen kontinuierlichen mechanischen Belastungen ausgesetzt. Behalten Sie dies stets im Blick und planen Sie entsprechende „Sicherheiten“ mit ein, soweit es der Platz hergibt.